"Humor verzerrt die Dinge so, dass wir Grimassen schneiden müssen." Gerhard Uhlenbruck
Durch die übertriebene Darstellung der eigenen
Emotionen wird uns die Möglichkeit gegeben, die Emotion als solche anzuschauen und zu bewerten: Man ist über eine Situation genervt. In den meisten Fällen grummelt man etwas in sich hinein und ballt die Faust unter dem Tisch - nonverbale Kommunikation allenfalls für die Holzwürmer im Schreibtisch. Rollt man stattdessen offensichtlich wild mit den weit aufgerissenen Augen, zieht die Augenbrauen bis zur Decke hoch und seufzt tief während man die Hände über dem Kopf zusammenschlägt und sich theatralisch die Haare rauft, ist das nonverbale Kommunikation par excellence. Durch dieses clowneske Verhalten tritt Entspannung ein. Dieses Verhalten, das seinen Ursprung in einer nervigen Situation hatte, kann sogar mit der Freisetzung von positiven Neurotransmittern wie Dopamin belohnt werden. Wenn man nun das Grimassieren in einem gewöhnlichen Grossraumbüro anwendet, wirkt man mit der Darbietung auf die Kollegen. Die Chance, die damit einhergeht, ist, dass auch die Stimmung der Kollegen steigt, gelacht wird und eine Büroparty der guten Neurotransmitter ihren Lauf nimmt.
Die
soziale Interaktion, die ein Clown so meisterhaft beherrscht, hat ihren Ursprung im Gehirn, genauer gesagt im limbischen System und im Stirnhirn, welche die Verarbeitung von Emotionen steuern. Beim Grimassieren tritt ein weiteres wichtiges Gehirnareal in den Vordergrund: der Schläfenlappen. Dieser Bereich ist maßgeblich für das Erkennen von Gesichtern zuständig.
Das Erkennen und Deuten des Gesichtsausdrucks anderer ist essentiell für uns. Beim Grimassieren wird dieser Teil des Gehirns maximal gefordert und gefördert.
Da das Gehirn gerne im Team arbeitet, gibt es nicht einem Bereich allein die Lorbeeren, sondern betont einen seiner besten Spieler: den sogenannten Gyrus angularis, der auf die Einordnung nonverbaler Kommunikation spezialisiert ist. Auf der linken Hirnhälfte spielt der Gyrus angularis eine entscheidende Rolle bei der Verbindung optischer Eindrücke mit Sprache - wichtig nicht nur für das Grimassieren, sondern auch für Dinge wie Schreiben, Lesen und Rechnen.
Obschon das exzentrische Ausleben von Emotionen für gute Stimmung bei Akteur sowie Publikum sorgt, kommt es in der Gesellschaft selten zu narrenhaftem Exzess. Eine widerliche Suppe im Fünf-Sterne-Restaurant löst in der Regel keine befreienden „Uaah, Pfui Teufel, was für eine Plörre soll das denn sein!?“-Reaktionen mit verdrehten Augen und offenkundigem Würgereflex aus. Stattdessen legen wir mit geschliffenen Manieren den Löffel zurück und äussern uns höchstens beim Kellner kritisch – aber freundlich - über das Gericht. Hier bewahrt uns unsere innere Anstandsdame, der Stirnlappen, vor sozial unverträglicher Enthemmung. Die Kunst besteht wohl darin, die Balance zu finden zwischen dem wohltuenden Grimassenschneiden und dem Einhalten sozialer Konventionen.
Zum Abschluss ein kleiner Tipp aus dem jährlichen Grimassen-Wettbewerb im Lake District in England (World Gruning Championship, Lake District Cumbria): Versuche mal, den Unterkiefer über den Oberkiefer zu ziehen, um wie ein lachendes Pferd auszusehen. Doch Vorsicht: "If the wind changes your face it will stay like that!"
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